Offener Brief vom 08.07.2016

VERSCHWENKUNG DER WESTBAHN IM BEREICH DES FLUGHAFENS LINZ

INITIATIVE VERKEHRSWENDE JETZT!
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Linz, am 8. Juli 2016

 

Offener Brief

 

an die

Österreichischen Bundesbahnen
Bahnhofplatz 2
1100 Wien

 

Betrifft: Verschwenkung der Westbahn im Bereich des Flughafens Linz

 


Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Vorweg:

 

Wir sind für den Ausbau der Bahn, aber unter geordneten, nachvollziehbaren Rahmenbedingungen. Bei der geplanten Verlegung der gesamten Westbahnstrecke im Bereich Flughafen Linz-Hörsching unter Auflassung einer der längsten schnurgeraden zweigleisigen Bahnstrecken Österreichs dürfte dies nicht gegeben sein.

 

Auf der gesamten Westbahnstrecke zwischen Linz und Wien ist uns kein Abschnitt bekannt, wo alle 4 Gleise auf der grünen Wiese errichtet wurden und schon gar nicht dort, wo die Bestandsgleise schnurgerade sind.

 

Abbau von Haltestellen

 

Gerade im Umfeld der großen Städte haben wir derzeit ein Verkehrssystem, das alles andere als nachhaltig ist. Für einen für das Erreichen der Klimaziele unvermeidlichen Umbau dieses auf das Auto ausgelegten Verkehrssystems wird die Bahn eine entscheidende Rolle spielen. Neue Haltestellen auf bestehenden Bahnstrecken werden notwendig werden, genauso der Neubau von zusätzlichen Bahnstrecken. Die ersatzlose Auflassung von bestehenden Haltestellen – wie Pasching - wäre daher – im Umfeld von Linz - ein unverzeihlicher Fehler.

 

Die jetzt bestehenden Haltestellen auf der Strecke Linz-Wels haben schon jetzt den doppelten Haltestellenabstand (4,2 km) wie das äußerst erfolgreiche S-Bahn-System auf der Strecke Salzburg Golling (2,1 km). Durch den Wegfall der Haltestelle Pasching würde das noch wesentlich schlechter werden. Das kann nicht akzeptiert werden. Der Zug muss in eine andere Richtung fahren.

 

Nicht der Status Quo sondern ein euphorisches Steigerungsziel eines erfolgreichen S-Bahn-Systems im Großraum Linz muss hier das Maß der Dinge sein. Die ÖBB sollen nicht eine Haltestelle krank reden, sondern gemeinsam mit dem Land OÖ daran arbeiten, mehr Leute zum Einsteigen auch in Pasching zu bringen. Die Einrichtung eines S-Bahn-Systems ab Dezember 2016 bietet die einmalige Chance, hier eine Kehrtwende einzuleiten.

 

Die gesamte Projektsentwicklung mit der Flughafenschleife hat generell einen unglücklichen Verlauf genommen. Die bisherige Größe des Flughafens Linz hat nie einen kostspieligen Bahnanschluss gerechtfertigt. Der Rückgang der Bedeutung des Flughafens und der Passagierzahlen in den letzten Jahren umso weniger.

 

Was absolut nicht sein kann, dass die ÖBB in diesem Bereich Schritte setzt, nicht nachhaltigen Verkehr (Flugverkehr, durch eine bessere Anbindung (nur Regionalzüge?) zu fördern und gleichzeitig die Rahmenbedingungen des umweltfreundlichen Nahverkehrs (Auflassung Hst. Pasching, Verschiebung Bhf. Hörsching um 600 m) dramatisch verschlechtert werden.

 

Thema Grünlandverbrauch

 

Die ÖBB als ein Unternehmen, das sich berechtigterweise als umweltfreundliches Unternehmen bezeichnet, müssen dabei permanent danach trachten, diesem Anspruch auch wirklich gerecht gerecht zu werden. Die Optik, bei 2 schnurgeraden Bestandsgleisen mit 4 geschwungenen Neubaugleisen durch hochwertiges Ackerland zu fahren, ist jedenfalls eine sehr negative.

 

In den letzten 50 Jahren wurde in Österreich bereits ein Drittel der damals verfügbaren Ackerfläche verbaut. Mit diesem Projekt wird - trotz aller Beteuerungen einer Kehrtwende - munter eine weitere Versiegelung des ohnehin schon stark versiegelten oö. Zentralraums betrieben.

 

Wir sind überzeugt, dass eine derartige Frage auch nicht im Rahmen einer UVP beantwortet werden kann und wird. Wie die Vergangenheit – z.B. in Linz die UVP des Westrings - gezeigt hat, sind UVP primär dazu da, im abgeschlossenen Rahmen den Projekten ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Der Projektwerber hat alles (Steuer-) Geld mit wiederholten Gutachten die Einwände jener, denen andere Projektslösungen vorschweben bzw. große Bedenken gegen die geplante Variante haben, aus dem Weg zu räumen.

 

Kosten

 

Bei präliminierten Kosten des vierspurigen Ausbaus Linz - Wels von 660 Mio Euro im jetzigen Projektsstadium von einem Kostenvorteil der vierspurigen Flughafenverschwenkung von 20 Mio Euro, d.h. 3 %, zu sprechen, ist unseriös.

 

Dass eine rd. 6 km lange Strecke mit 1 Haltestelle und 1 Bahnhof, wo dzt. mit 200 Sachen gefahren wird, mit all der notwendigen Sicherungstechnik nichts wert sein soll, kann nicht nachvollzogen werden.

 

Vor allem ist ein Kostenvergleich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, Auflassung der Hst. Pasching, nicht möglich und zulässig, hier können nur Äpfel und Birnen verglichen werden. Die derzeit beabsichtigte Lösung stellt für den Nahverkehr einen eklatanten Rückschritt dar.

 

Es ist banal, dass alles, was auf der grünen Wiese errichtet wird, billiger ist, als auf der Fläche bestehender Anlagen und Bauwerke neu zu bauen bzw. zu erweitern. Würde diese Philosophie sich immer mehr durchsetzen, würde es um die ohnehin schon stark reduzierten Grünlandreserven in Österreich schlecht bestellt sein. Außerdem werden ideelle Werte (Zerstörung jahrhundertalter Besitzverhältnisse) ignoriert.

 

Im Wissen, dass die ÖBB mit dem Enteignungsgesetz in der Tasche hier enteignen kann, lässt sich über solche Überlegungen auch leicht drüberfahren.

 

Informationspolitik

 

Im Nachhaltigkeitsbericht der ÖBB wird von transparenten Informationen gesprochen.

 

Diese ist die ÖBB bei diesem Projekt bisher schuldig geblieben. Selbst nach konkreten Aufrufen hat es hier keine weitergehenden Informationen gegeben.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für die Initiative Verkehrswende jetzt!

Lukas Beurle, Hayk Pöschl, Gerald Oberansmayr


Die INITIATIVE VERKEHRSWENDE JETZT! ist ein Netzwerk von 18 Initiativen, die sich für eine umwelt- und menschenfreundliche Verkehrswende in Oberösterreich einsetzen. http://www.verkehrswende-jetzt.at/